Donnerstag, 20. Juni 2019
Friedhof
Wenn ich die Blumen am Grab meiner Großmutter gießen muss, fange ich schon beim Wasser auffüllen zu weinen an. Ich vermisse meine Großmutter nicht, wie ich allgemein so gut wie nie Menschen vermisse. Aber was mir so nahe geht ist das Vergessen, das Verwelken der Erinnerungen - vor allem die meiner Großmutter. All die Zeiten vor dem Krieg, im Krieg, danach - all diese Erinnerungen gibt es jetzt nicht mehr. Ich werde nie wieder die Gelegenheit haben, zu fragen, wie die zwei Franzosen hießen, die als Kriegsgefangene am Hof meiner Großmutter arbeiten mussten. Was sie damals so gegessen haben. Ob sie den einen Franzosen attraktiv fand, der sie nach dem Krieg heiraten wollte. Was sie an Opa so toll fand. Wie das Daten damals war.

Ich gehe an Gräbern vorbei und sehe die tragischen Geschichten der Familien. Wie die Namen der Bauernhöfe in der Bezeichnung des Bauern von Generation zu Generation vermacht werden. Und diese Schicksale. Wie eins der Kinder einjährig verstorben ist und die drei großen Brüder einer nach dem anderen im Krieg gefallen ist. Danach sind die beiden Eltern verstorben, seither niemand mehr - haben die Eltern alle Kinder vor sich sterben sehen? Wie schrecklich.

Ich gieße die Blumen am Grab meiner Großmutter und weine. Jeder Name auf diesen Gräbern eine tragische Geschichte, jeder Name unendlich vieler gestorbener Erinnerungen. Eines Tages wird hier mein Name stehen, unter den Namen meiner Eltern.

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