Dienstag, 20. Oktober 2015
Versagen ist das Schlimmste
Heute war der schlechteste Arbeitstag.

Nachdem ich in der Früh in Windeseile den Event von gestern Abend zusammenräumen musste, und dann noch ein, zwei kleine Dinge dazwischen kamen, war ich ein paar Minuten zu spät für den Lernkurs zum Führungen geben. Während dem Kurs kam noch eine Schulgruppe zum Museum, für die ich ebenfalls gerade noch die Soundanlage in der Bibliothek einstecken konnte.

Am Ende der Führung wurde ich von meinen Chefinnen ins Büro der Direktorin auf ein ernstes Wort geholt. Ich hatte vergessen gehabt, in der Früh draußen zu fegen - und prompt ist genau heute jener Tag, an dem ein Hundehaufen beim Eingang lag. FML.

Außerdem war am Sonntag eine Kleinigkeit schief gegangen - ein Mikro funktionierte nicht, weil ich es nicht eingeplant hatte und .. ach, schwierig zu erklären, jedenfalls bin ich mir keiner Schuld bewusst.

Die Direktorin sah das aber anders, und gemeinsam mit der Hundescheiße machte sie das ziemlich, ziemlich sauer. Die Direktorin ist eine sehr edle Person, deshalb macht sich das bloß mit einem vernichtenden, abfälligen, vor allem aber enttäuschten Blick bemerkbar.

In Zukunft sollte ich mich nur noch um die Technik kümmern - als Konsequenz darf ich nicht mehr am Docent-Training teilnehmen. Als erster Österreicher werde ich kein Docent werden, keine Führungen geben. Es ist eine unglaubliche Schmach. Ich traue es mich kaum meinem Chef zu sagen.

Ich war so geschockt, ich wusste nicht was sagen. Ich wusste mich nicht verteidigen, und ich fand keine Worte, um meine Teilnahme am Docent-Training rechtzufertigen.

Vielleicht mag das manch einem lächerlich erscheinen, aber mir machte dieses Gespräch unheimlich zu schaffen. Ich fühlte mich so stolz, dass der Event am Vortag ohne größere Probleme ablief, obwohl ich die halbe Show (hinter den Kulissen) im Alleingang schmiss. Ich hatte in den letzten zwei Wochen so hart gearbeitet, jeweils 50 Stunden, machte keine Pausen, bin ständig überarbeitet... und dann vergesse ich ein Wochenende, die Straße zu fegen, und alles wird scheiße. Dank meinem Fehler darf jeder jetzt täglich Strichlisten führen, welche Tätigkeiten er oder sie an diesem Tag schon gemacht hat. Danke, herztieger.

Als ich im Büro eines Kollegen um Rat bat, kamen mir tatsächlich ein, zwei Tränen. Es war mir peinlich, aber es machte mir einfach so unglaublich zu schaffen. Zu Versagen ist für mich das Schlimmste. Gebrochenes Herz und Einsamkeit und Armut machen mir nicht so viel aus, aber wenn ich nicht gut arbeite... das macht mich fertig. Vor allem dann, wenn ich eh schon alles gebe, abends meist hundemüde nach Hause komme und kaum zum Schreiben komme.

Der Tag wurde nicht besser, sondern schlimmer. Die Direktorin beklagte sich außerdem, dass neulich ein White Board in der Bibliothek ein wenig im Weg stand, sodass man über die Stützen hätte drüberstolpern können. Sie meinte, dass das Museum dafür um bis zu 200 Millionen Dollar verklagt werden könne, und es sogar Todesfälle gegeben habe. Vom Stolpern. Dieser Haufen Bullshit war wirklich verdammt schwierig zu schlucken. Zum einen: Wie soll man denn an so etwas sterben? Wenn man so pessimistsch denkt, darf man sich nicht auf die Straße wagen. Fuck, wenn man so denkt, ist selbst jeder Stuhl eine Todesgefahr...

Die Drohung mit der Klage klang schon realistischer, wenn auch absolut absurd: Ist es nicht typisch amerikanisch, beim Stolpern einen Schuldigen zu suchen, um sich an diesem Unfall zu bereichern? Ich kann verstehen, dass wir nicht alles wild rumliegen lassen können, aber irgendwo muss man eine realitätsnahe Grenze ziehen. Ich bin von der Auffassung, dass man für sich selber verantwortlich ist - und wenn man über etwas stolpert, dann tut man das, weil man die Augen nicht nach vorn gerichtet hat.

Es ist nicht einfach, etwas umzusetzen, von dem man nicht überzeugt ist. Aber ab sofort heißt es in beinah übertriebenem Maße: Safety first. Als Resultat haben wir mehrere häufig benützte Arbeitsgeräte in entfernte Abstellräume getragen. Noch eine negative Konsequenz also, die dieser Tag besiegelt.

Ich war den ganzen Tag furchtbar niedergeschlagen. Ich hatte so hart gearbeitet, und wenn ich einmal versage werde ich dermaßen bestraft.
Es war mir so unheimlich wichtig, den bestmöglichsten Eindruck zu machen... und dann ruiniere ich mir an einem einzigen Tag alles.

Kurz, bevor ich ging, beschlagnahmte meine Arbeitskollegin meinen Becher, in dem ich Stifte, Gummibänder und Büroklammern aufbewahrte - weil die Chefin so einen für ihr Büro braucht.
Zum Glück war ich gerade beim Gehen. Es war die Kirsche auf dem Sahnehäubchen für diesen Tag. Ich ging dann eher wortlos, kindisch eingeschnappt. Nicht einer meiner besten Momente an einem Tag, der nicht mein bester war.

Ich war so wütend, ein wenig auf das Unglück, dass da so viele Sachen zusammengekommen waren, bei denen ich bis auf den Hundehaufen bloß Teilschuld war, vor allem aber war ich wütend auf mich selbst. Ich hasse es, nicht gut genug zu sein. Wenn ich Fehler wie das Vergessen des Fegens mache, mache ich mir ewig lange Vorwürfe. Vor allem heute, weil ich die Konsequenzen noch lange, lange zu spüren werden habe.

Es war mir immer wichtig, die Direktorin mit meinem Fleiß, meiner Höflichkeit, meinem Umgang zu beeindrucken. Und dann... poof.

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