Melancholie unter Palmen

Vor 2 Jahren hab ich geschrieben: Eines meiner Lebensziele ist es, meine Eltern mit meiner Leistung stolz zu machen.

Vorigen Monat habe ich das geschafft. Es läuft gut.

Ich hab Libelle eingeladen, mit mir Wein zu trinken.
Eigentlich wollte ich ja, dass wir den bei ihr im Zimmer trinken, aber sie hielt es für selbstverständlich, ihn bei einem gemeinsamen Abendessen zu trinken. Ich sagte nicht nein.

Die Flasche war schon halb leer. Wir sprachen darüber, wie romantisch unsere Leben sind. Nicht besonders, sagt sie, und ich schreie innerlich - du findest unseren monatelangen Tanz nicht romantisch? Aber ich sage nichts.

Wie melancholisch sind wir, auf einer Skala von 0 bis 10? Ich erinnere sie daran, dass wir beide 7,5 gesagt hatten vor zwei Monaten, als wir uns kennen lernten. Ich verrate ihr nicht: Das war das erste Mal, an dem mir bewusst wurde, dass sie was für mich wäre. Und wie ist es heute mit der Melancholie? Sie sagt, sie ist zur Zeit wieder ganz schön melancholisch. Und bei mir? Schwankt zwischen 3,5 und 8, sage ich, und schaue ihr dabei intensiv in die Augen. "Schwankt ganz schön", meint sie.

Das Essen ist gegessen, die Flasche leer. Sie hat morgen einen anstrengenden Tag vor sich, will sich bald zurückziehen. Ich nehme meinen Mut zusammen und frage, wie es mit uns beiden weitergeht wenn ich ausgezogen bin. Es überrascht sie, dass ich das so direkt anspreche. Ich sage ihr: Ich möchte mit dir gehen. Ich möchte mit dir Kajak fahren und mit dir im Park Bier trinken und dir sagen wie wunderschön dein Haar ist. Weil jeder Tag, an dem ich mit dir rede, besser ist als ohne dich.

Das hat sie überfordert. Und sie fragt sich, wie viel Ehrlichkeit bei mir dahintersteckt und wie viel Romantik für meinen Beruf. Ich versichere ihr: Ich bin Autor geworden, weil ich Romantiker bin, nicht umgekehrt. Insgeheim feiere ich mich für diese wunderschöne spontane Zeile. Und sie kommt auch bei Libelle an. Sie will es probieren.

"Ich ziehe ja am Wochenende aus", sage ich, "und möchte jetzt noch all meine Lebensmittel verwerten. Und ich habe da diese Weinflasche, und ich wollte fragen ob du die mit mir leeren willst."
"Gerne", sagt sie, und mein Herz lächelt.
"Wenn's nicht zu spät wird. Zum Abendessen?"
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Was hab ich bloß falsch gemacht.

10 Tage liegt es jetzt hinter mir, dass ich eine kleine Ausbildung abgeschlossen habe. Das forderte mich 40h, Montag bis Freitag. Zusätzlich noch 10-20h Arbeit für mich selber jede Woche. Und ich war glücklich.

Seitdem ich frei habe, geht gar nichts mehr. Ich liege rum und bemitleide mich selber wegen meiner Liebeskummer. Wegen Libelle und, wie könnte es auch anders sein, natürlich auch wegen Lydia. Immer Lydia.

Ich funktioniere gut, wenn ich gebraucht werde, und gar nicht, wenn ich es nicht werde.

I need a purpose, and that purpose is work.

Wir haben uns dann am übernächsten Tag gleich wieder vertragen, obwohl ich vom Thema Salat jetzt sicherheitshalber gänzlich Abstand halte.

Nichtsdestotrotz: Wir unterhalten uns so gut, und trotzdem weicht sie mir immer wieder aus. So langsam sickert es wirklich in mir ein, dass sie meine Gefühle nicht erwidert. Und das tut echt ziemlich weh, das hab ich schon jahrelang nicht mehr verspürt. Ich fürchte, ich hab mich endlich wieder mal verliebt.

Gestern habe ich einen sexistisch konnotierten Fehler begangen.

Nachdem ich und Libelle öfters darüber gewitzelt hatten, dass ich so selten Salat und gesundes Zeug esse, habe ich kurz vor meinem bevorstehenden Auszug zum letzten Mal Essen eingekauft - und wieder mal nix Grünes dabei. Zu Libelle habe ich dann gewitzelt, dass ich jetzt 3 Möglichkeiten habe, Salat zu essen: entweder ich geh nochmal einkaufen und mach mir selber einen (iiiiih), oder ich geh teuer irgendwo chicken salad essen, oder ich darf mal bei ihr mitessen. Liebguck.

Das hat sie erst irritiert, dass ich mich quasi selber dazu einlade, dass sie für mich kocht. So hatte ich das gar nicht gesehen und wäre am liebsten im Erdboden versunken und saß ein paar Minuten total beschämt auf der Couch. Dann ärgerte sie sich noch einmal, dass sie es nicht mag, wenn die Leute ihr aufschwatzen, dass sie ihnen einen Gefallen tun soll. Auch das hatte ich nicht beachtet - einer von Libelles Grundkonflikten ist es ja, dass ihr das öfter passiert.

Also setzte ich an, mich nochmal aufrichtig zu entschuldigen. Sie wollte aber nichts davon wissen - sie hatte einen anstrengenden Tag und gerade keinen Nerv für diesen Mist.

?????

Der Streit ging mir noch stundenlang durch den Kopf. Also ich finde schon, dass es ein wenig zu frech war, sie eigentlich gefragt zu haben, ob sie mal für mich kocht. Andererseits: big fucking deal. Cry me a river. Reiß dich zusammen.

Was mir allerdings Leid tut ist, dass ich sie aufgestachelt habe anstatt ihr ein Ohr leihen zu können. Und ich will ja eigentlich für sie da sein, wenn sie jemanden braucht. Weil ich sie mag. Auch wenn sie mich nicht mag.

Was mich beim kürzlichen Tod von David Lama wirklich berührt hat, war die Reaktion der Eltern. Die ließen die Öffentlichkeit in einem Statement wissen, dass sie den Tod ihres Sohnes als Teil dessen Leidenschaft akzeptieren. Klettern war trotz aller Sicherheitsmaßnahmen immer auch gefährlich, und mit einer gewissen Angst haben die Eltern wohl jeden Bergbestieg ihres Sohnes miterlebt. Lamas Tod war nicht unausweichlich, aber doch nicht gänzlich unwahrscheinlich. Wenn er zu vermeiden gewesen wäre, dann nur damit, Lamas Leidenschaft damit zu beschneiden. Und das ist eine Einstellung, die ich ebenfalls mit mir trage: Besser ein spannendes, erfülltes Leben mit Risiko als ein langweiliges in Watte gepackt.

Mama, von nun an brauchst du dir nie wieder Sorgen machen, dass aus mir nichts wird.

Sie sagt, sie schreibt fast jeden Tag Tagebuch, und hat erst einmal über mich geschrieben. Ich hab mich so verschluckt, ich hab es gar nicht kaschieren können, wie tief mich das trifft.
Dann reden wir zwei Stunden über das Leben und die Liebe. Es ist so schön. Bis auf die Tatsache, dass sie für mich nichts zu empfinden scheint.

Ich bin geknickt.

Sie geht mir tagelang aus dem Weg und dann, wenn wir uns wieder mal treffen, reden wir eine halbe Stunde lang und lachen dabei so herzlich, als wäre klar, dass wir zusammen gehören. Ach Libelle, was schwirrt in deinem Kopf?