Freitag, 27. Dezember 2019
Hanuta
Meine Mentorenfigur, ich nenne sie mal Carmen, mit der ich vor einem Monat Wein trinken war, aß bei der Arbeit immer Hanuta. Das ist ein halbes Jahr her, dass ich sie beim Naschen beobachten durfte, trotzdem erinnere ich mich noch daran.

Zu Weihnachten hab ich Karla ein paar Packungen Hanuta gekauft. Ich bat ich deren Lebensgefährtin, die bei unserer Firma arbeitet, Karla die in Geschenkspapier eingepackten Hanuta unter den Weihnachtsbaum zu legen, anonym, von jemandem von der Arbeit.

Es war eine total süße Geste. An vorderster Seite ist die Geste auch tatsächlich einfach nur nett gemeint, ohne Hintergedanken. Nachdem ich aber schon beschlossen hatte, das zu tun, fiel mir auf, was für ein außerordentlich cleverer manipulativer Schachzug das war. Menschen >45 ohne Kinder suchen sich oft (bewusst oder unbewusst) junge Menschen aus, die sie als Mentés betrachten. Ich versuche gerade bewusst, mich bei mehreren Arbeitskollegen als solcher in Stellung zu bringen. Auch bei Karla. Weil ich so viel von ihr lernen kann und will. Wie manipulativ ich dabei vorgehe, halte ich natürlich geheim.

Es ist nämlich so: Die Königsdisziplin der Manipulation ist es, Menschen glauben zu lassen, eine bestimmte Idee wäre die ihre gewesen. Ich möchte, dass Karla von mir denkt, ich wäre ein selbstloser, total süßer, empathischer Mensch, der so bescheiden ist, sein Geschenk anonym zu geben. In Wahrheit ist es allerdings kalkuliert, dass sie mich als wahren Adressaten erkennen würde. Früher oder später, entweder wenn die Lebensgefährtin einknickt oder ich das selbe Geschenkspapier zu einem anderen Anlass in der Firma verwende oder wenn Karla detektivisch bei ihrer Rückkehr in die Firma die richtigen Fragen stellt und ich vermeintlich versuche, so zu tun als ob ich nichts von dem Geschenk wüsste, dabei aber in Wirklichkeit durch mein bewusst schlechtes Lügen ihr mitteile: Ich war es, der dir das geschenkt hat. Ich bin dieser selbstlose, total süße, empathische Mensch.

Naja, so war zumindest der Plan. Tatsächlich war es dann so, dass sie mir Heiligabend am Nachmittag schöne Weihnachten wünschte und vorschlug, im neuen Jahr wieder Wein trinken zu gehen. Und ich schrieb ihr, dass ich mich darauf freue. Und als sie dann wenige Stunden später die Hanuta auspackte, schrieb sie mir noch mitten in der Nacht:

Hanuta
Das warst Du!
Wer sonst?
Wie fein!
Ganz unnordisch berührt
K

Sie hatte es also viel einfacher rausgefunden, als ich erwartet hatte. War naiv von mir, es war wohl tatsächlich zu offensichtlich, auch wenn sie mir nicht zufällig ein paar Stunden zuvor geschrieben hätte. Wie auch immer, ich stellte mich schnell auf die neue Situation ein, so schnell durchschaut geworden zu sein. Ich antwortete also schlicht:

:)

Und sie antwortete schlicht:

Schlaf fein

Und sandte dazu ein Foto, auf dem sie mit den Hanuta um die Wette strahlt. Und dabei wohl findet, dass ich ein selbstloser, total süßer, empathischer Mensch bin, ohne zu wissen, was mein Plan dahinter steckt. Doch vielleicht hat sie mit dieser Vermutung ja doch nicht so unrecht, Kalkül hin oder her - ich freue mich, dass sie sich freut.

Karlas Foto ist glaube ich mein Lieblingsfoto des Jahres. Ich schaue es mehrmals täglich an.

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Donnerstag, 26. Dezember 2019
Die vergessenen Lieder
Ich höre die meiste meiner Musik auf YouTube.
Fast immer die selben Lieder aus meiner Liked und Favorites-Playlisten.
Manchmal gehe ich auf Streifzug durch die Vergangenheit und schaue, was ich vor 7 Jahren auf die Liste hinzugefügt habe.
Je weiter ich zurück gehe, desto mehr Lieder sind gelöscht. Leerstellen in meiner Favoritenliste, von denen ich nicht mehr weiß, welche Lieder das waren. Lücken in meiner Vergangenheit. Story of my life.

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Dienstag, 24. Dezember 2019
Am Grab
Gestern war ich mit meiner Mutter am Grab meiner Großmutter, und wie bei jedem Grabbesuch flossen bei mir reihenweise die Tränen.

Ich bin nicht traurig, dass sie gestorben ist. Jeder Mensch muss eines Tages gehen, und das ist auch gut so. Meine Oma war alt und hat ihr Leben gelebt, hat viel gesehen, hat eine große Familie großgezogen, und ich glaube sie war glücklich - nicht über alles, aber über das meiste. Sie hat Hitler und den Weltkrieg überlebt, hat in großer Not gelebt, war mit einem Alkoholiker verheiratet, der ihr auch viele Möglichkeiten zunichte gemacht hat, aber sie war eine glückliche, gute Gastwirtin und Mutter und Großmutter. Zum Schluss war sie alt und senil und ihre letzten Worte waren "Ich kann nicht mehr". Da waren ihre Pupillen schon ganz weiß und sie schon halb im anderen Reich.

Ich vermisse sie aber, weil ich sie gerne stolz gemacht hätte. Sie hat glaube ich nie verstanden, wer ich wirklich bin und was ich beruflich mache - nicht zuletzt deswegen, weil ich das selber so lang nicht wusste. Es tut mir so leid, dass sie gegangen ist in meinen verwirrten Jahren, in denen ich nach dem Studium noch kein Geld verdiente. Ich stelle mir vor, wenn sie noch drei weitere Jahre gelebt hätte, wie sie in ihrem Altersheim den anderen stolz erklärt hätte, heute Abend läuft eine Folge im Fernsehen geschrieben von ihrem Enkel. Und obwohl sie die Folge kaum verstehen würde (weil moderne Serien schnell geschnitten sind, und meine Oma das nicht mehr gerafft hätte), hätte sie gesagt, wie toll sie es fand und wie stolz sie auf mich ist. Und ich hätte sie umarmt und mich gefreut, sie stolz gemacht zu haben.

In dem Sinne bin ich wahrscheinlich einfach nur traurig darüber, dass ich diese Geschichte nicht so zu Ende erzählen konnte.

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Sonntag, 22. Dezember 2019
Meine Obsession
Ich war eingeladen beim 30. Geburtstag einer ehemaligen Schulkollegin. Ich wusste, wer auch auf der Party sein würde: Lydia, die Frau die ich liebe.

Es ist so erbärmlich. Weil mir der Abend einmal mehr vor Augen führte, dass ich im Grunde keine allzu gute Chemie mit ihr habe. Wenn wir reden, reden wir gelegentlich aneinander vorbei. Ich kann sie nie herzhaft zum Lachen bringen. Und wenn ich sie dann mit dem Verlobten der ehemaligen Schulkollegin reden sehe, 10 Minuten lang, dann fällt mir auf, dass ich mit ihr so nie reden kann. Einerseits, weil ich bei ihr jedes Wort auf die Goldwaage lege (vor Anspannung), andererseits... weil wir nicht füreinander gemacht sind.

Es ist so erbärmlich, wieder einmal zu begreifen, dass ich lediglich einer Illusion verfallen bin.

Wobei es dieses Mal einen Wermutstropfen gibt. Im Gegensatz zu unserer letzten Begegnung vor ein paar Jahren hat dieses Mal nicht mein Herz bis zum Hals geklopft. Ich hab sie immer wieder angeschaut, klar, weil sie der mit Abstand einflussreichste Mensch meines Lebens ist.

Aber ich will jetzt auch nicht zu hoffnungsvoll sein. Hab mir schon öfters gedacht, dass ich endlich frei bin von meinen Gefühlen. Doch bislang war die Obsession immer stärker.

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Montag, 16. Dezember 2019
Falsches Geständnis
Hab meiner Chefin auf ihrer Weihnachtsparty von meiner Obsession für Lydia erzählt. Ihr Blick hat mich verurteilt. Das war ein Fehler.

Habe ihr auch erzählt, dass ich keine Menschen vermisse. Sie hat mich gefragt, ob ich zumindest Lydia vermissen würde, was ich bejahen musste - das ist die eine Ausnahme. Jetzt phantasiere ich davon, wenn ich meinen Job in ein paar Jahren verlassen muss, dass ich ihr sagen werde, dass ich sie vermissen werde. Sie wird sagen: Ich dachte du vermisst keine Menschen? Und ich werde sagen: Subtext ist, wenn man es nicht erklären muss. Und sie wird mir tief in die Augen sehen.
Naja, so stell ich mir das vor. Die nächste unerfüllte Romanze meines Lebens. Zumindest eine gute Geschichte.

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Montag, 9. Dezember 2019
Der Kleiderbügel
Habe meiner Chefin erzählt, dass ich von ihr geträumt habe. Sie hat nicht verwundert reagiert, sondern amüsiert. Dann hab ich sie beruhigt, sie hat nur eine unwichtige Nebenrolle gespielt.

Sie hat mich an ein Set gebracht, wo mir eine Schauspielerin vorgestellt wurde. Sie sollte in einer Szene mit ihrem Fuß an einem Kleiderbügel hängen bleiben - es sollte eine Comedy-Szene sein. Obwohl die Schauspielerin gute Miene zum bösen Spiel machte, dachte sie offenkundig in Wirklichkeit, dass es eine unglaubwürdige Fremdschamalarm-Szene werden würde. Sie fragte mich, weil mein Name unterm Drehbuch stand, wie ich die Szene sehen würde. Dummerweise stand ich dumm da, weil es tatsächlich eine Fremdschamalarm-Szene war. Die Lektion des Traums war, dass ich besser arbeiten muss.

Was ich meiner Chefin nicht erzählte, war, dass es da noch einen zweiten Teil meines Traums mit ihr gab. In dem haben sie und ich gemeinsam auf einem Sofa gesprochen und versehentlich berührt.

Uh-oh.

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Sonntag, 8. Dezember 2019
Verführbar
Ich habe seit knapp zwei Monaten 0 Energy-Drinks getrunken.

In der Arbeit wurden mir 8 Dosen Red Bull geschenkt am Freitag.

Jetzt sind nur noch 2 Dosen übrig.

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Uh-oh.
Gestern Nachmittag kam meine Chefin in unseren Arbeitsraum, und sie hatte Lippenstift drauf (wobei sie am Vormittag noch keinen oben hatte), und ich dachte mir: Na da ist aber jemand ready fürs Wochenende. Sie sah so toll aus.

Am Nachhauseweg dachte ich wie meistens an Lydia. Dieses Mal erinnerte ich mich an die gemeinsame Schulzeit, und wie ich sie all die Jahre immer und immer wieder betont uninteressiert in den Blick nahm.

Uh-oh.

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